Geschichte des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas FAU
Der Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Universität Erlangen wurde im Jahr 1962 gegründet. De facto existierte das Fach aber schon seit Ende der 1940er Jahre in Erlangen.
Bereits im Sommersemester 1947 hatte Hans von Rimscha (1899-1987) begonnen, Osteuropäische Geschichte in Erlangen zu lesen. Zunächst war Hans von Rimscha, der 1927 an der Herder-Hochschule Riga habilitiert wurde und als Baltendeutscher die wechselvolle jüngste Geschichte in Osteuropa hautnah miterlebt hatte, als Lehrbeauftragter tätig, ab dem Sommersemester 1951 dann als Extraordinarius.
Anfang der 1960er Jahre stimmte das Bayerische Kultusministerium auf Bitten der Universität der Errichtung eines ordentlichen Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität zu. Die Schaffung des Lehrstuhls in Erlangen 1962 geschah im Zusammenhang mit der allgemein großzügigen Förderung des Faches in der Bundesrepublik. In den 1950er und 1960er Jahren wurden an fast allen Universitäten im Bundesgebiet Lehrstühle für Osteuropäische Geschichte eingerichtet. Bei der Etablierung des Faches in der damaligen Bundesrepublik standen neben der wissenschaftlichen Erkenntnissuche vor allem politische Ziele Pate, die sich mit den Schlagworten „Ausbau der Ostkunde“ und „wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Kommunismus“ umschreiben lassen.
Zum ersten Lehrstuhlinhaber für Osteuropäische Geschichte in Erlangen wurde Karl-Heinz Ruffmann (1922-1996) berufen. Karl-Heinz-Ruffmann, der das Fach in Erlangen fast dreißig Jahre prägte, war 1961 in Köln habilitiert worden und machte sich insbesondere mit seiner Lehre und Forschung zur Geschichte der Sowjetunion sowie durch sein auf Breitenwirkung historischer Forschung angelegtes Engagement, unter anderem durch die Einrichtung des „Kontaktstudiums Erlanger Hochschulhistoriker für Gymnasial- und Realschullehrer in Bayern“, einen Namen. Nach seiner Emeritierung folgte ihm 1990 Helmut Altrichter als Ordinarius nach.
Eine erste beengte Heimstätte fanden die „Osteuropäer“ in 1940er Jahren in den Räumen einer ehemaligen Anwaltskanzlei in der Friedrichstraße gegenüber dem Gasthaus Strauß. Ende der 1970er zog der Lehrstuhl in die Hindenburgstraße um, bis er schließlich in den 1980er Jahren in der Bismarckstraße 12 sein heutiges Domizil fand.
Zum Sommersemester 1990 trat Helmut Altrichter die Nachfolge Karl-Heinz Ruffmanns an. Altrichter kannte, aus Augsburg kommend, den Lehrstuhl bestens aus eigener Anschauung: Er hatte in Erlangen studiert und war dort promoviert sowie habilitiert worden. Den Schwerpunkt auf der Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert baute er aus, und es entstanden in Erlangen seine großen Monographien zu den Schlüsseljahren 1917 und 1989, welche die sowjetische Ära gleichsam umrahmten, aber auch seine „Kleine Geschichte der Sowjetunion“ in der Beck‘schen Reihe.
Auch die am Lehrstuhl wirkenden Assistenten und Akademischen Oberräte, Hubertus F. Jahn (1992-2000) und Matthias Stadelmann (2002-2012), trugen zum Profil des Lehrstuhls bei, indem sie in ihren Qualifikationsschriften zum russischen Patriotismus während des Ersten Weltkrieges bzw. zum Musikleben der Stalin-Zeit kulturgeschichtliche Akzente setzten. Beide etablierten auch das Russische Kaiserreich als Forschungsgegenstand in Erlangen, Stadelmann fertigte dazu am Lehrstuhl seine Habilitationsschrift an.
Helmut Altrichter machte durch seine vielfältigen Aktivitäten innerhalb und außerhalb Erlangens den Lehrstuhl international bekannt. In Kooperation mit der Moskauer Akademie der Wissenschaften und derBayerischen Staatsbibliothek siedelte er beispielsweise in Erlangen das von Lilia Antipow betreute Interneteditionsprojekt „100(0) Schlüsseldokumente zur sowjetischen und deutschen Geschichte“ an. Die federführende Fortführung des von Ruffmann initiierten „Kontaktstudiums“ für Geschichtslehrer war für Altrichter ebenso selbstverständlich wie sein hohes Engagement in der Selbstverwaltung der FAU.
In der Lehre wurden den Studierenden seit 1990 nicht nur Veranstaltungen zur sowjetischen Geschichte, sondern auch zur Geschichte Russlands seit dem Mittelalter, zur jüdischen Geschichte in Osteuropa, zum Habsburgerreich und seinen Nachfolgestaaten sowie zum Vergleich zwischen Mittel- und Osteuropa geboten.
Nach Helmut Altrichters Emeritierung im Jahr 2012 wurde Julia Obertreis zum Wintersemester 2012/13 auf den nun für „Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas“ denominierten Lehrstuhl berufen. Sie führt einige Traditionen fort und etabliert, neben ihren Schwerpunkten in der russisch-sowjetischen Geschichte, gleichzeitig mit Polen und Zentralasien neue regionale, mit der Medien- und Umweltgeschichte neue methodische Forschungsfelder.
Nach Helmut Altrichters Emeritierung im Jahr 2012 wurde Julia Obertreis zum Wintersemester 2012/13 auf den nun für „Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas“ denominierten Lehrstuhl berufen. Sie führte einige Traditionen fort und etablierte, neben ihren Schwerpunkten in der russisch-sowjetischen Geschichte, gleichzeitig mit Polen und Zentralasien neue regionale, mit der Medien- und Umweltgeschichte neue methodische Forschungsfelder. Julia Obertreis engagierte sich zuletzt intensiv im Austausch mit der Karazin-Universität in Charkiw sowie seit Beginn des Angriffskriegs für geflüchtete Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine. Julia Obertreis verstarb im Oktober 2023 nach schwerer Krankheit.
Seit Oktober 2023 wird der Lehrstuhl von Moritz Florin vertreten. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte Zentralasiens sowie in der russischen und sowjetischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.